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Franz Maurer
Die Wenden der Niederlausitz - Seite 3

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Das Gebiet dieser Sprache nimmt gegenwärtig folgenden Raum ein, den Boeckh auf seiner vortrefflichen Nationalitätenkarte des preußischen Staates sehr richtig abgegrenzt hat, welche Bemerkung ich mir erlauben darf, weil ich viele Punkte selber betreten und über andere durchaus zuverlässige und in jener Gegend wohnende Sachkenner befragt habe: die Spree kann man, um doch ein Gleichnis zu gebrauchen, als den die Kristallisation vermittelnden Faden des Wendentums betrachten, und zwar in einer Flusslänge von etwa 14 Meilen (105 km) bei einer Breite von 4 bis 6 Meilen (30-45 km). Ungefähr eine Meile südlich der sächsischen Stadt Bautzen beginnt das wendische Element, zieht sich dann in einer gewundenen Linie links an Kamenz vorbei bis zum preußischen Städtchen Senftenberg heran; von dort geht es mit östlicher Einbuchtung und vielfach von tief einschneidenden Sprachenhalbinseln durchbrochen nördlich weiter bis zum Spreewald¹, etwa eine Meile genau nördlich von Vetschau; dann schneidet es die östliche Ecke desselben ab und geht nach Osten weiter gerade auf Guben zu, bleibt aber auf dem die Wasserscheide bildenden Plateau, etwa 1,5 Meilen von genannter Stadt entfernt und wendet sich scharf südlich bis zu einem Punkt, der auf der Linie zwischen Spremberg und Muskau liegt, ungefähr eine Meile weit von letzterem sehr bekannten Orte entfernt; hier biegt es um und zieht sich an Muskau vorbei an die Neiße heran, der es auf dem linken Ufer anderthalb Meilen weit aufwärts folgt, worauf es nach Süden wendet und diese Richtung so lange beibehält, bis es auf gleiche Höhe mit dem oberhalb Bautzens befindlichen Angelpunkt anlangt, den es dann in westlicher Richtung nach anderthalb Meilen erreicht. 

Dieses ungefähr 40 Quadratmeilen (2250 km²) umfassende Gebiet ist nur in der größeren südlichen Hälfte ein kompaktes zu nennen, im Übrigen sind seine Ränder mehr oder minder stark eingebuchtet und die Masse durch Sprachinseln und weit vordringende Zungen durchbrochen oder durch beginnenden Zersetzungsprozess gelockert. Als die wichtigsten Inseln sind zu nennen: Bautzen, Wittichenau (preußisch), Hoyerswerda und Peitz (etwa 1 Quadratmeile groß), und als Halbinseln von Westen nach Osten streichend bei mehreren Meilen Länge: Spremberg und Cottbus. In der Bildung begriffene Halbinseln finden sich im Südosten an der sächsischen Grenze, mit der Richtung auf Spremberg und die Spree hinstreichend, ferner zwischen Spremberg und Muskau, von ersterem Orte ausgehend. Mit der Vollendung der direkten niederschlesisch-märkischen Eisenbahn werden diese deutschen Sprachenhalbinseln bald an Ausbildung und Festigkeit gewinnen, auch neue hinzutreten, und so wird dann das Wendenland in nicht allzulanger Zeit in vier Bruchteile auseinandergeschnürt werden, deren Zerbröckelung und vollständige Auflösung unverhältnismäßig schneller vor sich gehen wird als das bisherige Rückschreiten der wendischen Sprache, deren Hauptstützpunkte gegenwärtig noch die Spree zwischen Bautzen und Spremberg, zwischen Cottbus und dem Spreewald, sowie die Neiße bei Muskau bilden.

Beim Betrachten der Nationalitätenkarte gewinnt man den Eindruck, als klebte sich das Wendische förmlich an die genannten Flussläufe fest. Wie sehr es, besonders im Norden, zurückweicht, lässt sich u.a. daraus ersehen, dass vor 20 Jahren noch eine halbe Meile östlich von Luckau wendisch gesprochen wurde, während jetzt die Sprachgrenze drei Meilen weiter nach Osten zu suchen ist. Boblitz am Spreewald (zwischen Lübbenau und Vetschau) war vor zehn Jahren noch ein wendischer Kernpunkt inmitten wendischer Umgebung. Gegenwärtig ist die letztere deutsch und Boblitz ist nur noch zur Hälfte wendisch. Einstmals absorbierte dieser Ort germanische Elemente, wie z.B. Träger des deutschen Namens “Richter”, die echt wendisch geworden waren.

Es bedarf wohl keiner besonderen Bekräftigung, dass die deutsche Sprache im Munde echter oder germanisierter Wenden etwas eigentümlich klingt, doch nicht so sehr, wie man bei der Verschiedenheit dieser beiden Idiome glauben sollte. Die wirklichen Wenden haben die Angewohnheit, beim Deutschreden dort ein gehauchtes H zu setzen, wo es am Anfang der Worte fehlt und es dort wegzulassen, wo wir es wirklich haben; sie sagen deshalb z.B.: “Hes werden bald Hähren hauf die Alme kommen, hich abe hes eute desehen!” (Es werden bald Ähren auf die Halme kommen, ich habe es heute gesehen!) Auch das G in der Vorsilbe “ge-“ fällt ihnen schwer, besonders wenn gleich darauf wieder ein G folgt. So hört man sie sagen “desehn, degangen, dewonnen,” statt gesehen, gegangen, gewonnen. 

In der Aussprache des R und L haben sie bisweilen etwas Eigentümliches, sodass ein fremdartiger Akzent entsteht. Manche sprechen das R wie wir mithilfe der Zungenspitze und des oberen Zahnfleisches, andere hingegen bringen mittels des Gaumens und des hinteren Zungenteiles ein Schnarren hervor, welches wiederum bedingt, dass sie nach Berliner Art ö und ä gern wie e und ü wie i sprechen, auch die Endsilben auf r ungebührlich dehnen, z.B. Tischlehr, Maurehr etc. Diese abweichende R-Aussprache scheint mir ganz willkürlich und nicht an Gegenden gebunden, denn ich traf überall Individuen mit dem schnarrenden R und erfuhr meistens, dass sie nie auf längere Zeit ihr Heimatdorf verlassen hatten, also die sonderbare Aussprache nicht anderswo erlernt haben konnten. 

Das L sprechen sie sehr häufig in polnischer Weise aus, nämlich als durchgestrichenes Ł, welches bekanntlich mit zurückgelegter und gegen die obere Mundhöhle gedrückter Zungenspitze gesprochen wird und fast wie r lautet. Diese Aussprache fand ich teilweise in südlichen Gegenden, hingegen die andere, halb geschleifte, wobei die vordere Hälfte der Zunge platt gegen das Zahnfleisch gedrückt wird, überall, doch nirgends zu häufig. Das Verdoppeln der Konsonanten, welches eine harte, kurze Aussprache der Silben hervorbringt, ist verhältnismäßig selten bei den Wenden, und dadurch unterscheidet sich ihr Deutsch vorteilhaft vom polnischen Deutsch, das zudem durch Beibehaltung weicher Zisch- und N-Laute verunziert wird.

¹ - Dieser ist bekanntlich das von der Spree gebildete Flussnetz von 3 Meilen Länge und 1 ½ Meilen Breite; es beginnt 1 ½ Meilen nördlich von Cottbus und ebenso weit von Peitz und endet bei Lübben.


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