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Franz Maurer
Die Wenden der Niederlausitz - Seite 5

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Als ich während meines Streifzuges durch das Wendenland immer und immer wieder dieselben Frauengesichter antraf, da fiel mir recht lebhaft die geistreiche und anziehende Schilderung der Guajiros-Indianer ein, und das, was Franz Engel über die Weiber dieses Stammes sagt. Es scheint wirklich wahr zu sein, dass das weibliche Geschlecht den Rassentypus länger und deutlicher festhält als das männliche, und dass die Monotonie seiner Züge einen Schluss auf den geistigen Zustand und die Aktivität seines Volksstammes zulässt. Danach gehörten die Wenden nicht zu den höheren oder besonders aktiven Rassen. Ausnahmsweise fand ich auch dunkelhaarige Weiber, mit braunen, listig blickenden Augen, spitzen, etwas gekrümmten Nasen, scharfem Kinn und überhaupt markanten Zügen. Diese hatten auffallende Ähnlichkeit mit den Frauen gewisser Distrikte Mecklenburgs, die sich besonders durch die große Zahl Säuge-Ammen auszeichnen, welche sie nach Nah und Fern versenden. 

Die wendischen Weiber haben meist eine feine weiße Haut, sind untersetzt oder klein und von drallen Formen. Sie scheinen frühzeitig zu altern und sind dann das Gegenteil von schön, weil ihre Gesichter sehr runzelig werden, besonders die der dunkleren Art. Ihre Kleidung ist so ziemlich überall dieselbe: kurzer Rock, der nur bis dicht unter das Knie reicht, aus rot und grün gestreiftem Wollzeug, weiße Wollstrümpfe mit Zwickeln, ausgeschnittene Lederschuhe, weißes Kopftuch und weiße Schürze, weite Puffärmel, ein breiter, weißer getollter Kragen. Bei festlichen Gelegenheiten entfalten sie mit Kappen (Hauben), Kragen und Bändern einen auffallenden Luxus, bei dem Seide, Gold- und Silberdraht sowie Samt eine große Rolle spielt. In manchen Distrikten sind schwarze Kopftücher und dergleichen Schürzen gebräuchlich. 

Hier kann ich gleich mitteilen, dass über die Tracht der Männer nicht sonderlich viel zu sagen ist, denn sie fügen sich immer mehr der allgemein herrschenden Mode, kleiden sich städtisch oder deutsch-bäurisch. Die Kleidung der Ärmeren und das allgemeine Arbeitskleid der Männer besteht aus leinenen Hosen und kurzem Leinenrock, den Kopf bedeckt im Sommer ein niedriger Hut, im Winter eine Pelzkappe. Ich habe selbst bei strenger Winterkälte ärmere Leute in dieser leichten Kleidung auf dem Felde und der Landstraße gesehen. In der Umgebung von Cottbus existiert noch eine Art Nationaltracht, bestehend aus langem, blauem Leinwandrock, eben solchen Hosen und einer Pelzmütze, aus der ein langer roter Zipfel, wie aus einem Husaren-Tschako herabhängt. Schuhe oder Stiefel vollenden diesen Winter und Sommer gleich bleibenden Anzug.

Der Wende im Soldatenrock ist vom Wenden im Bauernkittel wesentlich verschieden. Auf dem Transport als Rekrut ist er noch ausgelassen lustig – was sich vom Ernst oder der Niedergeschlagenheit der deutschen Rekruten sehr abhebt – er singt dann häufig wendische Lieder und spricht sogar dann und wann wendisch; sobald er aber im bunten Rock steckt, wird er anfangs stumpfsinnig, gehorsam und sklavisch befangen, also ziemlich das Gegenteil  vom deutschen Rekruten, der sehr bald auftaut und sich dadurch leicht Ungelegenheiten zuzieht. Mit der Zeit ändert sich der Wende freilich, denn nachdem er sich ein Jahr oder zwei in die neue Lage hineingelebt hat, kehrt sein Naturell wieder, welches man richtig als trotzig, keck und etwas heiter bezeichnen kann, das aber von Feinden und Nichtkennern gern als tückisch, falsch, dummdreist und roh hingestellt wird. Er ist dann sehr oft widerborstig und zu losen Streichen aufgelegt, was beim älteren deutschen Soldaten freilich auch häufig vorkommt, nur benimmt sich dieser bei solchen Gelegenheiten klüger und vorbedachter als jener.

Als Soldat schämt sich auch der Wende seiner Nationalität, und es kann ihn ein deutscher Kamerad nicht schlimmer beleidigen, als wenn er ihn beim Streit einen “Wenden” nennt; er verstummt vor solchem Trumpf oder schlägt aus. Seine Muttersprache redet er nicht in Gegenwart deutscher Kameraden oder Wirte, und ich habe es einstmals erlebt, dass ein Wende, dem in der Lustigkeit einige Worte in seiner Muttersprache entschlüpften, sofort von mehreren Seiten verstohlene, aber derbe landsmännische Püffe erhielt, wobei mich die Leute verlegen anschielten. Außerhalb des Heerbannes bedient sich der Wende stets seiner eigenen Sprache und erst recht wenn Deutsche in seiner Nähe sind. Bei solcher Gelegenheit kann man hören, wie das Deutsche sie beeinflusst; ich vernahm z.B. oftmals die Beteuerungsformel “ja wirklich” inmitten wendischer Rede.

Überhaupt scheinen sie viele deutsche Ausdrücke für ganz alltägliche Gegenstände angenommen zu haben, denn sie besannen sich mitunter sehr lange, ehe sie mir auf Befragen die wendische Bezeichnung für Dinge sagen konnten, die ich ihnen mit den Händen zeigte. Andererseits sind verschiedene wendische Worte und Anschauungen in die Volkssprache des nordöstlichen Deutschlands übergegangen, z.B. Pietschen (Schnapstrinken), Pietsch (Säufer, verkommenes Subjekt), Roboten (Fronarbeit leisten). In Mecklenburg und Pommern hörte ich den ländlichen Wahrspruch “Am Belbog muss sich eine Krähe im Korn verstecken können!”. Das Fest des Belbog (weißen oder guten Gottes) wurde etwa um Pfingsten gefeiert.

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